OECD: Österreichs Wirtschaft schrumpft - 4,3 %


Der Abschwung der OECD-Wirtschaften erreicht seine Talsohle am Ende der tiefsten Rezession seit 60 Jahren. Die sich abzeichnende Erholung wird voraussichtlich schwach und fragil bleiben und die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Krise werden noch lange zu spüren sein. Zu dieser Einschätzung kommt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem aktuellen Wirtschaftsausblick, der am Mittwoch in Paris vorgestellt wurde.

Der Wirtschaftsausblick ist der erste seit zwei Jahren, in dem Wachstumsaussichten gegenüber vorhergehenden Projektionen nach oben und nicht nach unten revidiert werden. Besonders deutlich ist dies für die großen Schwellenländer und für die USA. Dagegen haben sich die Aussichten für die Eurozone seit der letzen Projektion im März weiter eingetrübt.

A. Österreichs Wirtschaft dürfte 2009 um 4,3 Prozent schrumpfen und 2010 bei minus 0,1 Prozent stagnieren.

Die Wirtschaftstätigkeit verlor im Jahresverlauf 2008 an Fahrt und ist Anfang 2009 stark eingebrochen. Bisher war der kumulative BIP-Rückgang in Österreich aber geringer als im Euroraum insgesamt. Zurückzu-führen ist der Wirtschaftsabschwung in erster Linie auf den Rückgang der Exporte infolge des Einbruchs des Welthandels und die angesichts der schär-feren Kreditstandards sowie der größeren Ungewissheit im Hinblick auf die künftigen Aussichten schrumpfenden Investitionen. Außerdem ging der Kon-sum der privaten Haushalte zur Jahreswende 2008/2009 zurück, als sich das Verbrauchervertrauen eintrübte und die Arbeitslosigkeit stieg.

Die Arbeitsmarktbedingungen haben sich in den letzten Quartalen vor allem im Verarbeitenden Gewerbe verschlechtert, und die Arbeitslosenquote ist im April 2009 auf 4,2% gestiegen, gegenüber 3,7% ein Jahr zuvor. Die Verschlechterung ist durch das staatlich geförderte Modell für Kurzarbeit etwas abgefedert worden, das den Stellenabbau und die Einkommensverluste der Arbeitskräfte vorübergehend in Grenzen hält und bis April etwa 50 000 Arbeitskräfte betraf. Unter dem Einfluss der rückläufigen Energiepreise ging der Verbraucherpreisauftrieb (HVPI) von seinem Höchststand Mitte 2008 auf 0,1% im Mai 2009 zurück. Demgegenüber nahm die Kerninflation in den letzten Monaten nur geringfügig ab und lag im Mai bei 1,9%.

Im Gefolge der Zinssenkungen der EZB und den sowohl auf der Ebene des Euroraums als auch in Österreich ergriffenen Finanzmarktmaßnahmen haben sich die Bedingungen an den Finanzmärkten zu bessern begon-nen, obgleich die Kreditvergabestandards in Österreich Anfang 2009 weiter verschärft wurden. Die Spannungen an den Finanzmärkten, die im Zusam-menhang mit den als risikobehaftet betrachteten Positionen österreichischer Banken in zahlreichen mittel- und osteuropäischen Ländern entstanden waren, haben etwas nachgelassen. Die Risikoprämien auf österreichische Staats-anleihen sind gegenüber ihrem Februar-Höchststand von 130 Basispunkten geschrumpft, bleiben aber hoch. Die Aktienkurse ziehen seit ihrem Tiefstand Anfang März wieder an.

Die österreichische Regierung hat zur Stützung der Realwirtschaft auch fiskalische Maßnahmen umgesetzt. Zu den diskretionären Impulsen zählen in erster Linie die im September 2008 ergriffenen Maßnahmen zur Stärkung der Kaufkraft der privaten Haushalte und die Senkung der Lohn- und Einkommensteuer von 2009. Diese Impulse haben Langzeiteffekte, die sich nach 2009 etwas verstärken werden. Es wird damit gerechnet, dass diese Maßnahmen zusammen mit umfangreichen automatischen Stabilisatoren den Abschwung abfedern, zugleich aber auch das Haushaltsdefizit 2010 auf knapp über 6% des BIP erhöhen werden. Zusammen mit der Rekapitalisierung der Banken wird dies die Staatsverschuldung 2010 auf nahezu 80% des BIP anheben. Es müssen bald glaubwürdige mittelfristige Konsolidierungsmaßnahmen angekündigt und umgesetzt werden, wenn sich die wirtschaftlichen Bedingun-gen verbessern. Der neue für vier Jahre festgelegte Ausgabenrahmen, der vorgesehene Übergang zu einer ergebnisorientierten Budgetierung und die geplanten Steigerungen der Ausgabeneffizienz dürften die Konsolidierung erleichtern.

Das BIP dürfte 2009 deutlich einbrechen und mithin die schwerste Rezession der vergangenen Jahrzehnte verzeichnen und im Jahresverlauf 2010 nur allmählich expandieren. Die anhaltende Schwäche der Auslandsnachfrage wird 2009 wahrscheinlich zu einem deutlichen Rückgang der Exporte führen. Sobald die Weltwirtschaft wieder an Fahrt gewinnt, wird für 2010 bei den Exporten mit einer leichten Verbesserung gerechnet. Angesichts der geringeren Kapazitätsauslastung, der angespannten Finanzierungslage und der nach wie vor trüben Aussichten wird für 2009 auch ein Rückgang der Unternehmens-investitionen projiziert.

Das Wachstum des privaten Konsums wird im Projektionszeitraum zwar sehr schwach sein, aber voraussichtlich im positiven Bereich bleiben. Die sich verschlechternde Arbeitsmarktverfassung wird das Wachstum der verfügbaren Realeinkommen dämpfen und die Ersparnisbildung der privaten Haushalte in die Höhe treiben. Jedoch dürften die für 2009 ausgehandelten hohen Lohnzuwächse, die mit der Steuerreform einhergehenden Lohn- und Einkommensteuersenkungen, die sozialen Transferleistungen und die geringere Inflation die Realeinkommen der privaten Haushalte stützen. Die Gesamtinflation wird niedrig bleiben, während die Kerninflation im Verlauf des Projektionszeitraums weiter nachgeben wird, da sich der bereits erhebliche Kapazitätsüberhang in der Wirtschaft noch stärker ausweiten wird.

Die Projektionen sind nach wie vor mit erheblichen Unsicherheits-faktoren behaftet, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunkts des Aufschwungs. Die Aussichten für Österreich hängen entscheidend von der Auslandsnachfrage und den Entwicklungen an den Finanzmärkten ab. Weitere Spannungen an den Finanzmärkten in Mittel- und Osteuropa würden die finanzielle und fiskali-sche Stabilität in Österreich gefährden. Sollte dieses Risiko eintreten, bedarf es möglicherweise zusätzlicher Unterstützungsmaßnahmen für den Finanzsektor.



CH. Für die Schweiz - für Vorarlberg und seine Grenzgänger nicht unbedeutend - erwartet der aktuelle Wirtschaftsausblick für 2009 einen Rückgang der Wirtschaftsleistung um 2,7 Prozent und für 2010 einen leichten Rückgang um 0,2 Prozent.

D. Für Deutschland - unser wichtigster Handelspartner - geht der aktuelle OECD-Ausblick in diesem Jahr von einem Rückgang der Wirtschaftsleistung um 6,1 Prozent aus und für 2010 von einer leichten Erholung um 0,2 Prozent (Märzprognose: 2009: minus 5,3 Prozent; 2010 plus 0,2 Prozent). Die Arbeitslosigkeit dürfte bis 2010 auf 11,6 Prozent (nach ILO-Standard) steigen.

EU. In der Eurozone gibt es bislang keine klaren Signale für einen Aufschwung. Das Bruttoinlandsprodukt dürfte in diesem Jahr um 4,8 Prozent schrumpfen und im kommenden Jahr bei null Prozent stagnieren. (Märzprojektion 2009: minus 4,1 Prozent; 2010: plus 0,3 Prozent). Jedes Land für sich muss mit einer eigenen Kombination von Schwächen zurechtkommen: zerplatzende Immobilienblasen, schrumpfende Exporte oder ein angeschlagener Finanzsektor. Wenn eine Erholung eintritt, dürfte sie schleppend verlaufen, da die steigende Arbeitslosigkeit die Konsumausgaben beeinträchtigen wird.

USA. Nach den aktuellen Prognosen wird die Wirtschaft in den USA in diesem Jahr um 2,8 Prozent schrumpfen. Die März-Prognose ging noch von einem Rückgang um 4,0 Prozent aus. Für 2010 erwartet der aktuelle Wirtschaftsausblick ein Wachstum von 0,9 Prozent gegenüber null Prozent in der März-Prognose. Die Talsohle für die US-Wirtschaft dürfte in der zweiten Jahreshälfte 2009 erreicht sein. Der Aufschwung dürfte aber erst verzögert eintreten, da parallel zum Auslaufen der Konjunkturmaßnahmen Unternehmen und Verbraucher ihre Sparquote erhöhen dürften, um ihre Verschuldung zu reduzieren. Trotz der leichten Erholung wird die Arbeitslosigkeit in den kommenden zwei Jahren wohl auf rund zehn Prozent steigen.

CHINA. Chinas Wirtschaft scheint sich dank umfassender Konjunkturstimulierung bereits im Aufschwung zu befinden. Für 2009 wird nun ein BIP-Wachstum um 7,7 Prozent und für 2010 um 9,3 Prozent erwartet. Im März lag die OECD-Wachstumsprognose noch bei 6,3 Prozent für 2009 und 8,5 Prozent für 2010. Für die Wirtschaftsleistung in Brasilien erwartet die OECD in diesem Jahr einen Rückgang um 0,8 Prozent und für 2010 ein Wachstum um 4,0 Prozent. In Russland wird die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr um 6,8 Prozent schrumpfen und dann 2010 wieder um 3,7 Prozent wachsen. Indiens Wirtschaft wird 2009 um 5,9 Prozent wachsen, 2010 dürfte dann wieder ein Wachstum von 7,2 Prozent erreicht werden.

JAPAN. Für Japans Wirtschaft wird für dieses Jahr ein Rückgang um 6,8 Prozent erwartet und für 2010 ein leichtes Wachstum um 0,7 Prozent (Märzprognose 2009: minus 6,6 Prozent; 2010: plus 0,5 Prozent). Es gibt Anzeichen, dass die durch den Einbruch des Außenhandels ausgelöste Rezession zum Stillstand kommt, der Aufschwung wird allerdings nur langsam erfolgen. Angesichts der hohen Arbeitslosigkeit und ungenutzter Kapazitäten ist es wahrscheinlich, dass die Deflation sich weiter fortsetzt.

Der Wirtschaftsausblick geht weiter für die kommenden zwei Jahre von einem sinkenden Inflationsdruck aus, sieht aber abgesehen von Japan wenig Risiken einer anhaltenden Deflation.

Angesichts eines voraussichtlich schwachen Aufschwungs, spricht sich die OECD dafür aus, dass die Regierungen ihre angekündigten Konjunkturpakete schnell und umfassend umsetzen. Steuererleichterungen oder Ausgabenprogramme sollten nicht übereilt ausgesetzt werden, um den Aufschwung nicht zu gefährden. Gleichzeitig ist eine bessere Regulierung der Finanzmärkte unbedingt erforderlich, um zukünftige Krisen zu verhindern.

Wenn die Erholung ausreichend stark ist, müssen öffentliche Schulden und Haushaltsdefizite reduziert werden, heißt es im Wirtschaftsbericht. Die dann nötigen Ausgabenkürzungen oder Steuererhöhungen müssen so ausgerichtet sein, dass langfristige Wachstumsperspektiven nicht beeinträchtigt werden. "Der Konsolidierungsbedarf ist groß, aber nicht beispiellos", sagte der amtierende OECD-Chefökonom Jorgen Elmeskov. "Einmalig ist allerdings, dass die Konsolidierung über die Länder hinweg koordiniert werden muss."

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Studie OECD Economic Outlook Print + PDF Edition (ISSN 0474-5574) - PDF Edition (ISSN 1609-7408)Vorläufige Ausgabe, Österreich ab Seite 170
PDF., 234 S., 1,6 MB, 23.6.2009


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