EU-Gerichtshof: Steuerliche Absetzbarkeit von Spenden auch für ausländische Empfänger


Der EU-Gerichtshof hat gerade eine Entscheidung getroffen, die auch für die österreichischen Absichten, Spenden besonders steuerlich zu begünstigen, interessant werden dürfte. Danach dürfen inländische Spendenempfänger nicht steuerlich bevorzugt werden!

Der Gerichtshof (Große Kammer) hat für Recht erkannt:

1. Macht ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, fallen solche Spenden auch dann unter die Bestimmungen des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.

2. Art. 56 EG steht der Regelung eines Mitgliedstaats entgegen, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.

Das deutsche Recht sieht den Steuerabzug von Spenden an gemeinnützige Einrichtungen vor, die ihren Sitz in Deutschland haben und gewisse Anforderungen erfüllen, nimmt aber Spenden an Einrichtungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, von dieser Steuervergünstigung aus.

Ein deutscher Staatsangehöriger begehrte in seiner Einkommensteuererklärung 2003 dennoch einen Steuerabzug wegen einer Sachspende im Wert von ungefähr 18 180 Euro an das in Portugal ansässige Centro Popular de Lagoa (ein Seniorenheim, an das ein Kinderheim angegliedert ist). Das Finanzamt versagte den begehrten Sonderausgabenabzug mit der Begründung, dass der Spendenempfänger nicht in Deutschland ansässig sei und der Steuerpflichtige keine formgerechte Bestätigung vorgelegt habe.

Der Bundesfinanzhof, der in letzter Instanz über den Rechtsstreit zu entscheiden hat, möchte vom Gerichtshof wissen, ob ein Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von der Voraussetzung abhängig machen darf, dass der Spendenempfänger im Inland ansässig ist.

In seinem heutigen Urteil untersucht der Gerichtshof die Frage, ob die steuerliche Abzugsfähigkeit von grenzüberschreitenden Spenden unter die durch das Gemeinschaftsrecht garantierte Kapitalverkehrsfreiheit fällt. Nach Auffassung des Gerichtshofs fallen, wenn ein Steuerpflichtiger in einem Mitgliedstaat die steuerliche Abzugsfähigkeit von Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig und dort als gemeinnützig anerkannt sind, solche Spenden auch dann unter die Vertragsbestimmungen über den freien Kapitalverkehr, wenn es sich um Sachspenden in Form von Gegenständen des täglichen Gebrauchs handelt.

Da die Möglichkeit des Spendenabzugs das Verhalten des Spenders erheblich beeinflussen kann, ist die in Deutschland fehlende Abzugsfähigkeit von Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen, wenn sie in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind, geeignet, sich negativ auf die Bereitschaft deutscher Steuerpflichtiger auszuwirken, an solche Einrichtungen zu spenden. Eine solche Regelung stellt daher eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die grundsätzlich verboten ist.

Nach Auffassung des Gerichtshofs ist diese Beschränkung nicht gerechtfertigt. Ein Mitgliedstaat kann im Rahmen seiner Regelung der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Spenden inländische und in anderen Mitgliedstaaten ansässige, als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen unterschiedlich behandeln, wenn letztere andere Ziele als die in seiner eigenen Regelung vorgegebenen verfolgen. Das Gemeinschaftsrecht schreibt den Mitgliedstaaten nämlich nicht vor, dafür zu sorgen, dass in ihrem Herkunftsmitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte ausländische Einrichtungen im Inland automatisch die gleiche Anerkennung erhalten.

Gleichwohl können, wenn eine in einem Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannte Einrichtung die dafür nach dem Recht eines anderen Mitgliedsstaats vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt und ihr Ziel die Förderung identischer Interessen der Allgemeinheit ist, so dass sie auch im letztgenannten Mitgliedstaat als gemeinnützig anerkannt werden könnte, die Behörden dieses Mitgliedstaats der Einrichtung das Recht auf Gleichbehandlung nicht allein aus dem Grund verwehren, dass sie nicht im Inland ansässig ist.

Die umstrittenen Vorschriften sind auch nicht durch das Erfordernis der Gewährleistung einer wirksamen Steueraufsicht zu rechtfertigen. Nichts hindert nämlich die beteiligten Steuerbehörden daran, vom Steuerpflichtigen alle Belege zu verlangen, die ihnen für die Beurteilung der Frage notwendig erscheinen, ob die Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Ausgaben nach den einschlägigen Rechtsvorschriften erfüllt sind und der verlangte Abzug dementsprechend gewährt werden kann. Es verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Mitgliedstaat des Spenders dazu zu verpflichten, die Erfüllung der an inländische gemeinnützige Einrichtungen gestellten Anforderungen zu überprüfen oder überprüfen zu lassen, sobald ein Steuerpflichtiger die Abzugsfähigkeit seiner Spenden an Einrichtungen geltend macht, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind.

Daher erkennt der Gerichtshof für Recht, dass der freie Kapitalverkehr der Regelung eines Mitgliedstaats entgegensteht, wonach bei Spenden an als gemeinnützig anerkannte Einrichtungen nur Spenden an im Inland ansässige Einrichtungen von der Steuer abgezogen werden können, ohne jede Möglichkeit für den Spender, nachzuweisen, dass eine Spende an eine Einrichtung, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, die nach dieser Regelung geltenden Voraussetzungen für die Gewährung einer solchen Vergünstigung erfüllt.


Mehr:
EU-Gerichtshof: Rechtssache C-318/07