"Vernunftgeleitete Revolution": Radio Vatikan sendet nun auch Werbung


Radio Vatikan bricht nicht nur mit einem Tabu: Ab Juli wird der Sender des Papstes kommerzielle Werbespots ausstrahlen. Damit hat Marketing und Marktwirtschaft eine der letzten nichtkommerziellen Bastionen erobert. Und statt auf göttliche Fügung zu vertrauen setzt man wörtlich auf "vernunftgeleitete Lösungen". Ideologisch sind die Marketingkunden gut gefiltert. Der erste Kunde ist der italienische Energiekonzern "Enel". Ob die ideologische Gemeinsamkeit, die ideologisch gmeinsame Wellenlänge "Licht" nicht doch etwas zu gekünstelt ist?

"Das ist eine besondere, eine revolutionäre Nachricht", erklärte der Intendant von Radio Vatikan, Pater Federico Lombardi wörtlich. Es sei "keine Revolution, aber mit Sicherheit eine Nachricht". Seit seiner Gründung im Jahr 1931 hatte der Sender des Papstes niemals Werbung ausgestrahlt. Und zwar, so Lombardi weiter, nicht weil "Werbung an sich eine schlechte Sache sei", sondern weil die Art der Programme und der Ausstrahlung nicht geeignet waren. Für Sendungen über Kurz- und Mittelwellen in rund 40 verschiedenen Sprachen weltweit sei es schwierig gewesen, "eine Formel" zu finden. Durch das Internet und auch durch die Wiederausstrahlung über andere Sender sei die Hörerschaft gewachsen und damit auch das Interesse einzelner Firmen.

Am 6. Juli geht erste Werbespot bei Radio Vatikan auf Sendung; in fünf Sprachen, doch zunächst nur auf der römischen UKW-Frequenz "105 live; la Radio Vaticana in diretta", einem international ausgerichteten Programm mit Nachrichten, Studiogästen und Musik. Nicht betroffen sind die auf Mittel- und Kurzwelle verbreiteten Programme in rund 45 Sprachen. Die Spots sollten "zurückhaltend" eingesetzt werden und ihre Botschaft "in Geist und Charakter mit der von Radio Vatikan übereinstimmen", so Lombardi.

Den ersten Vertrag hat der in Italien ansässige multinationale Energielieferant Enel abgeschlossen. Weitere Firmen, mit denen der Vatikan bereits zusammenarbeitet, sollen folgen. In der Auswahl verlässt sich Radio Vatikan auf eine Werbeagentur, die verspricht "strenge Filter" anzuwenden und Firmen- wie Werbephilosophie der interessierten Unternehmen sorgfältig zu prüfen. Das letzte Wort hat die Direktion des Papstsenders selbst.

Vernunftgeleitet. Doch Radio Vatikan antwortet nicht nur auf Anfragen von außen, sondern tut sich mit den zu erwartenden Werbeeinnahmen selbst einen Gefallen. Mit rund 20 Millionen Euro pro Jahr ist der Sender einer der größten Einzelposten im Haushalt des Vatikanstaats. Intendant Lombardi macht keinen Hehl daraus, "dass Radio Vatikan Quellen auftun muss, um seinen aufwendigen Etat in den Griff zu bekommen". Dabei wird nicht mehr auf göttliche Vorsehung sondern auf die einst verdammte Vernunft gesetzt, denn: Dazu brauche es "vernunftgeleitete Lösungen", die - solange sie mit Auftrag und Natur des Senders übereinstimmten - wirtschaftliche Früchte bringen können.

Welchen Ertrag die Werbefenster im UKW-Programm bringen, ist noch nicht abzusehen, doch der Generalsekretär des Governatorats sieht sich und damit die Verwaltungsleitung des Vatikanstaats nach eigenen Worten "noch eine ganze Weile" in der Rolle des "Finanzierers von Radio Vatikan". Und das sei im Grunde gut so, sagt Bischof Renato Boccardo: "Radio Vatikan ist das Radio des Papstes und war für den Vatikan schon immer das Aushängeschild."

Krücke "Ideologie". Trotz aller wirtschaftlicher Schwierigkeiten müsse der Sender "um jeden Preis" erhalten werden. Als Instrument der Evangelisierung "scheint es mir fast natürlich, dass das Radio stets Verlust einfährt. Denn Evangelisierung geht nicht nur aus wirtschaftlicher Sicht, sondern gerade aus menschlicher Perspektive immer Risiken ein".

Am Beispiel des Energieriesen Enel, der auch die Restaurierung der Bernini-Kolonnaden am Petersplatz unterstützt, spricht Boccardo von der Zusammenarbeit großer Organisationen, die ein "ideologischer Aspekt verbindet": Beide hätten den Wunsch, Initiativen voranzutreiben, die im Dienst aller stehen: "Radio Vatikan ist eine Stimme der Freiheit und der Wahrheit. Der Petersplatz ist ein Ort, an dem alle Menschen sich zu Hause fühlen können."

Mehr:
Radio Vatikan